Netz10 liest Zeitung: FAS Nr. 9

Fas

Kann nicht schwimmen gehen. Und auch nicht im Cafe von Gemsen ausgeschissenen Bohnenkaffee trinken. Aber Wochenzeitung lesen, das kann ich. Auf dem Tisch: Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 7.3.2021.

Seite 2: „Einige wollen keinen realistischen Plan“ (Interview mit Winfried Kretschmann): In ihren Gründerjahren ließen sich die Grünen vor Atomkraftwerken das Hinterteil mit Wasserwerfern wegspülen. Da ließen sie sich noch nicht träumen, dass aus ihrer Fundamentalopposition mal ein grüner Ministerpräsident erwachsen würde, der die richtlinienkompetente Frau Merkel einmal als „unsere Kanzlerin“ bezeichnen würde. Die übrigens „sehr streng ist“. Das hat fast schon etwas devotes. Der Mann scheint geradezu beglückt, im Schatten „unserer Kanzlerin“ administrieren zu dürfen. Warum ist der Mann nicht in der CDU?

Seite 9: „Kontaktverlust“: Lesenswerter Artikel über den Verlust flüchtiger Bekannter, deren Nummer man nicht hat. Doch jäh endet der Artikel und es heißt lapidar: Fortsetzung nächste Seite. Obwohl darunter noch Platz für einen anderen Artikel ist. Der Bruch hat wahrscheinlich Layout-Gründe. So what? Das naive Kerlchen auf meiner linken Schulter brüllt trotzdem: Warum bitte soll ich jetzt auf Seite 10 blättern, nur um danach zurück auf Seite 9 zu blättern, auf der ich doch gerade bin? Es macht mich wahnsinnig und solange ich auf Seite 10 den Artikel zu Ende lese, brüllt das naive Kerlchen ständig in mein Ohr: Nicht vergessen zurückzublättern! NICHT VERGESSEN!!!

Seite 14: „Das sind Notfälle“: Interview mit einem Münchner Friseur. Ich kann dem Gang zum Friseur ja eh nix abgewinnen. Haare schneiden, Klappe halten. Der Münchner Friseur Thomas Kemper ist da nach dem Restart schon einen Tick euphorischer:

Tatsächlich fiel jeden Tag drei-, viermal der Satz, dass ich den Kundinnen ihre Würde wiedergegeben hätte.

Und die Würde – hab ich jedenfalls mal in irgendeinem Buch gelesen – ist unantastbar. Ich jedenfalls halte es für klüger, fozziebärmäßig weiterzuleben, als in Würde zu sterben („Nun ist er tot. Aber er war frisiert. Gehet in Frieden.“).

Img 20210308 195539

Frisurenerlöser Thomas Kemper setzt noch einen drauf:

Stellen Sie sich nur vor, all die eleganten Damen mit ihren schicken Handtaschen, und die haben jetzt auf der Mitte des Kopfes solche andersfarbigen Landebahnen. Das sind alles emergencies.

Img 20210308 195554

Was Sie da im Hintergrund hören, das ist der plätschernde Bach aus Tränen von Kindern der Dritten Welt. Sie weinen aus Mitleid über diese menschenunwürdigen emergencies von Münchner Damen mit Handtaschen, auf deren Kopf plötzlich völlig unakzeptable Landebahnen zu sehen sind. Wer eröffnet ein Spendenkonto?

Es gibt ein Leben in einer Parallelwelt. Wenn ich in dieser Welt nicht lebe, soviel steht fest, dann sind es diese Damen. Oder diese.

Seite 20: „Die Kleinsten arbeiten jetzt wie Mama und Papa“. Kinder eifern ihren Eltern nach. By Fisher Price gibt es jetzt ein Spiel-Set „My Home Office“.

Img 20210308 195658

Neben buntem Laptop und Headset gehört natürlich auch der To-Go-Kaffeebecher dazu (kein Witz!). So kann Ihr kleiner Marvin schon früh lernen, wie man scheinbar interessiert in die Cam viewt, während man sich außerhalb des Sichtfelds genüsslich am Bobbers kratzt. Gibt’s nur in den Staaten. Um das Set in Deutschland als realistisch verkaufen zu können, fehlt nämlich noch das obligatorische Glas Rotwein für die Frühkonferenz.

Seite 21: „Das Dilemma mit den vollen Höschen“. Wir bleiben beim Thema und danken der FAS für die Thematisierung eines Tabus. Nämlich der Tatsache, dass kleine Marvins von Geburt an Müllproduzenten sind. Weil das Kacka nämlich in einer Windel aus verschiedensten Plastiksorten endet. Für jedes Baby kommen da 5000 Windeln zusammen. Die werden dann über den Restmüll verbrannt. Muss man sich klarmachen. Jeden Tag werden in Deutschland zehn Millionen Windeln befüllt und dann verbrannt. Die FAS schreibt:

Das entspricht etwa 20% des Hausmülls in Deutschland.

Das erscheint mir etwas hoch gegriffen. Trotzdem eine Tatsache, die man während des ungeschützten Liebesaktes immer im Hinterkopf behalten sollte. 5000 Windeln! Vollgemacht!! Und dann verbrannt!!! Nicht vergessen. NICHT VERGESSEN!

Oh, zu spät.

Ein Kommentar zu “Netz10 liest Zeitung: FAS Nr. 9”

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert