Hurra, Sonntagslinks!

Na, ausgekuschelt? Lockt schon der duftende Kaffee auf dem Frühstückstisch? Freuen Sie sich schon auf das krachende Geräusch, beim Biss in frisch aufgebackene Steinofensemmeln vom Kalchreuther Bäcker? Nein? Nicht? Na gut, sorry, hier sind wenigstens ein paar sorgfältig ausgesuchte und kommentierte Links:

Ein richtiger Social Media Star

Spiele sollen auf das Leben vorbereiten. Die im Nürnberger Stadtteil Fürth ansässige Firma Playmobil hat deshalb eine Spieleset für Mädchen („empfohlen ab 4 Jahren“) auf den Markt gebracht. Weil man ja nicht früh genug beginnen kann, eine Influencerin zu sein:

Die Influencerin ist zwar noch jung, aber schon ein richtiger Social Media Star. Täglich produziert sie in ihrem Zimmer neue Videos, gibt Schminktipps und erzählt aus ihrem Leben. Die Zahl ihrer Fans steigt stetig, deshalb hat sie sich auch eine professionelle Kamera und Scheinwerfer angeschafft. So wird das nächste Video zum Hit.

Playmobil Shop: Geschenkset „Social Media Star“

Natürlich kann unsere vierjährige Influencerin auch „Ersatzteile bestellen“. Wie das ganze Set sind auch die Ersatzteile aus Plastik – im Gegensatz zu einer richtigen Influencerin, bei der die Ersatzteile bekanntlich aus Silikon sind.

Haben Sie schon die Lidl Plus App?

Früher ist man einfach schnell einkaufen gegangen. Eine superbanale Angelegenheit. Heute ist der öde, notwendige Gang zur Gurkenkiste längst zum Einkaufserlebnis hochgejazzt worden. Mit Folgen für den Kunden, der gar kein König sein will. Die Hamse-ne-Deutschland-Card-freien Zonen schrumpfen weiter. Nun hat Lidl nachgezogen und zwingt seine unterbezahlten Kassenknechte, bei der Kundschaft die Lidl-Plus-App zu hypen:

Was warst du mal cool. Cool, cooler, Lidl. Der einzige Supermarkt, der mich nicht nerven wollte mit irgendwas. Deutschlandcard. Treuepunkte. Sammelbildchen. Herzchen. Klebekack. Rabattrotz. Paybackfistfuck. Du warst cool. Weil du das Maul gehalten hast, was jemand wie ich, der das chronisch gewordene Ansprechen von fremden Menschen so anziehend wie ein Atommüllfass findet, dankbar begrüßt. Reingehen, kaufen, rausgehen. Easy.

Pestarzt: Haben Sie schon? Haben Sie schon? Haben Sie schon?

40% mehr für einen Haarschnitt

Nach der ersten Welle vor einem Jahr hat mein Standarditaliener um die Ecke die Preise für seine 0815-Pizzen drastisch erhöht. Hab ich natürlich bemerkt. Und so getan, als hätte ich nicht (mit meinem berühmten treudoofen Dackelblick kein Problem). Ich habe die Lage im Blick und gehe fest davon aus, dass die Gastro auch zur nächsten Wiedereröffnung nach welcher Welle auch immer gut was oben drauf setzt. Augen auf auch bei der Friseurwahl:

Seit Anfang 2020 stieg der Preis für einen Haarschnitt in meinem Dorf von 15 auf 21 €, also um satte vierzig Prozent.

Kiezschreiber: Das große RTL-Promi-Impfen

Ich möchte mich aber lieber nicht dafür verbürgen, dass die Realität hier ein bisschen bonettimäßig literarisch eingefärbt wurde. Vorsicht: Der Mann stopft sich auch heimlich die Kassenbons wildfremder Menschen in die Tasche und leitet daraus genüsslich deren Psychogramm ab.

Hörfunkredakteur Söder

Markus Söder hat als junger Mann beim Bayerischen Rundfunk ein Volontariat gemacht. Söder ist ein echter Medienprofi. Seine Worte sind fast immer positiv und mit Bewusstsein gewählt. Hörfunkredakteur Söder liebt auch die Kontrolle über seine Bilder. Kürzlich präsentierte sich Hörfunkredakteur Söder in den „sozialen“ Medien mit seinem neuen Familienmitglied, einem schwarzen (sic!) Hund. Die mit Nürnberg verbandelte Journalistin Lisa Kräher stört sich daran, dass die Bilderwelt des Hörfunkredakteurs Söder oft unkritisch in Medien übernommen wird:

Ist es generell überhaupt Journalismus, wenn Medien zeigen, was Politiker*innen und andere prominente Personen (womöglich aus Kalkül) in digitalen Netzwerken so posten? Das ist ja inzwischen ein ganzes Genre geworden: Instagram abschreiben.

Lisa Kräher: Widersteht Markus Söders Flauschfell mit Knopfaugen

Haha, womöglich ist gut! Ich möchte ergänzen: Ist es Journalismus, wenn man einen anonymen Reddit-Thread zu einem Artikel umbaut und sich dann nicht mal die Mühe macht eine Überschrift in Eigenleistung darüberzusetzen, sondern einfach ein x-beliebiges Zitat dafür hernimmt? Das klingt dann so:

User „KingofSheeepX“, nach eigenen Angaben Professor, erzählt von einem Studierenden, der schon als Software-Entwickler arbeitete (…)

Jetzt: „Die Studentin hat in dem Aufsatz dauernd ihre Mutter als Quelle angegeben“

Kein Mensch braucht den Frauentag

Wir bleiben bei der professionellen Zunft. Unser regionales Portal nordbayern.de ist nicht nur krampfhaft verlinkungsscheu, nein, es hat auch eine an sich ganz reizvolle Rubrik, in der jeweils zwei Kommentierende denselben Sachverhalt kommentieren. Zum Weltfrauentag hat man sich nun offenbar gedacht: Hey, wie wäre es denn, wenn wir den Pro-Weltfrauentag-Kommentar von einem Mann schreiben lassen. Und wenn die kommentierende Frau gegen den Weltfrauentag schreibt. Ein klarer Fall für NZ-Redakteurin Julia Vogl, die sich schon an anderer Stelle als streitbar und provokant profiliert hat:

Heute ist wieder der Tag, an dem man als Frau gar nicht schnell genug schauen kann und schon eine halb welke Rose in die Hand gedrückt bekommt, für die man jetzt dringend eine Vase auftreiben muss. Der Tag, an dem etliche westeuropäische Nachrichtenredaktionen damit werben, ihre Chefsessel heute ausnahmsweise anders als sonst besetzt zu haben: mit Frauen.

Julia Vogl (Nürnberger Zeitung): Kommentar zum Frauentag: Den braucht kein Mensch mehr

Damit bringt sie es auf 20 Kommentare. Ihr männliches Pendant, Sebastian Böhm (Für die Chauvis, für Frauen, für mich: Ein Plädoyer für den Frauentag) schafft es da gerade mal auf 6 Kommentare. An den journalistischen Frauenversteher hat sich die aufklärungsbedürftige Meute aller Geschlechter offenbar gewöhnt. Nix besonderes mehr. Aber eine Frau, die gegen den Weltfrauentag ist? Um es mit Giovanni Trapattoni zu sagen: Was erlaube!

Was erlaube!

Trappattonis Wutrede vom 10.3.1998 gilt in meinen Augen nach wie vor als sehenswerteste Pressekonferenz. Sie ist eine Sternstunde des Humors und eine Ermutigung für alle, die mit dem Erlernen einer fremden Sprache hadern. Trapattoni zeigt uns: Ohne einen gewissen Lernaufwand mag man nicht weit kommen. Doch selbst wer nur ein paar Wörter kennt, wird gehört, sobald er zwei Dinge mitbringt: Mut und Hingabe. An einigen Stellen seiner Rede wird bis heute gerätselt, was Trapattoni gemeint haben könnte. Wahrscheinlich wusste er es selber nicht so genau. Nie wieder wird ein Italiener unser so liebgewonnenes Klischee vom wildumhergestikulierenden Spaghettimacho so wunderbar bedienen. Eine Hommage an die deutsche Sprache mit Schmunzelgarantie:

Stramm stehende Töchter vor der Zeppelintribüne

Stadtarchiv Nürnberg klingt erstmal irgendwie gar nicht sexy. Sondern nach endlosen Gängen voller müffelnder Akten, durch die sich ein backenbärtiger Männerhandtaschenfreund mit Sandalen zwängt. Das ist natürlich nichts anderes als ein billiges Vorurteil und das Blog der Stadtarchive in der Nürnberger Metropolregion ist fast immer lesenswert und sei der Leserschaft -nicht nur in Nürnberg- ans Herz gelegt. Kleines Beispiel: 2018 wird dem Archiv ein 14-seitiger Erlebnisbericht über den Privatbesuch einer Frankfurter Familie auf dem Nürnberger Reichsparteitagsgelände mit 42 Fotos geschenkt. 1939 besucht die Familie nicht zuerst die Nürnberger Innenstadt…

(…) sondern fuhr als Erstes zum Reichsparteitagsgelände, wobei der Vater die stets gleich gekleideten , stramm stehenden Töchter sowie das Kraftfahrzeug vor Zeppelintribüne und den Fahnentürmen in sich ähnelnder Anordnung fotografierte. (…) Anschließend ging es weiter zum Luitpoldhain und – wohl angelehnt an die von Leni Riefenstahl in ihrem Film „Triumph des Willens“ überlieferte und im kollektiven Gedächtnis verankerte Choreographie der Nationalsozialisten – wurde der Weg zwischen der Tribünenanlage und der Ehrenhalle für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs zurückgelegt: „Wir gingen genau da, wo der Führer geht“ schrieb Helga in ihrem Bericht.

Thomas Knapp: Das doppelte Lottchen“ auf dem Reichsparteitagsgelände

Schönen Sonntag!

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