„Die deutsche Sprache sollte in Wort und Schrift perfekt beherrscht werden.“

Wer für die Presse arbeiten will, sollte gutes Deutsch können *). Zusammen mit Büchern haben Presseartikel eine wichtige Funktion. Viele Menschen orientieren sich an ihnen als Maßstab für gute und korrekte Sprache. Aus diesem Grund haben Generationen von Lehrern Presseartikel als Unterrichtsmaterialien genutzt.

Zeitung 26

Im Januar suchte nordbayern.de Praktikanten mit folgender Anforderung:

Die deutsche Sprache sollte in Wort und Schrift perfekt beherrscht werden.

nordbayern.de: Praktikant:innen für die Online-Redaktion von nordbayern.de gesucht
Nordbayern online praktikum
(Screenshot 19.5.2021)

Nicht nur gut soll die Sprache also sein, sondern perfekt. Falls akzeptiert, haben Praktikanten großes Glück: In der Redaktion treffen sie dann auf ein Umfeld, in dem natürlich auch nur perfektes Deutsch gesprochen wird. Oder?

Auch für die traditionelle Redaktion sucht der Verlag Praktikanten. Hier der erste Satz der Stellenausschreibung:

Möchtest auch Du einen Einblick in eine der größten regionalen Tageszeitungen Deutschlands werfen?

nordbayern.de: Praktikum im Verlag Nürnberger Presse

Praktikanten mit perfektem Deutsch haben natürlich sofort erkannt, dass dieser erste Satz der Ausschreibung hundsmiserables Deutsch ist. Man kann einen Einblick gewinnen, man kann einen Einblick nehmen oder jemandem einen Einblick gewähren. Oder man kann einen Blick in eine Zeitung werfen… Aber einen Einblick in eine Zeitung werfen – Freunde, das ist ein sprachlich grausames Gschmarri!

Aber das war sicher nur ein Ausrutscher. Wir alle machen Fehler. Und ab dem zweiten Satz wird das Deutsch in dieser Stellenausschreibung sicher wieder perfekt. So wie es sein soll. Und so, wie man es ja wohl von Praktikanten erwarten darf:

Dann ist ein Praktikum im Verlag Nürnberger Presse das richtige für Dich!

Nordbayern praktikum
(Screenshot 19.5.2021)

Praktikanten mit perfektem Deutsch zucken spätestens jetzt zusammen. Hatten sie doch in der Mittelstufe mal gelernt, dass solche Substantivierungen groß geschrieben werden (vgl. Duden). Die richtige Schreibweise wäre also „das Richtige“ gewesen.

Mit anderen Worten: Eine der größten regionalen Tageszeitungen Deutschlands sucht Praktikanten mit perfektem Deutsch. Scheitert aber selbst an dieser Anforderung und verkorkst in der Stellenausschreibung die ersten beiden Sätze.

Das dahinterliegende Problem ist strukturell und viel zu gravierend, als dass ich mich daran hämisch ergötzen möchte. Jahrzehntelang wurde am Bildungsetat gespart. Verstärkend kommt das Internet hinzu. Aus den jungen Bücherlesern vergangener Jahrzehnte sind smileypostende Häppchenlyriker geworden, die den Klick auf einen Daumen für eine Meinungsäußerung halten.

Nach ihrem ganz eigenen Marsch sind sie längst in den Institutionen angekommen, wo sie nun als Entscheider intuitiv vor sich hinplaudern.

*) gilt nicht für unbezahlte Blogger mit Hang zur Übertreibung, die nach zwei roten Schanzenbräu schlechtdurchdachte Entwürfe ins Netz klatschen.

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