Ein Foto-Spaziergang über das ehemalige Reichsparteitagsgelände in Nürnberg

Unschuldige Jogger schlurfen an diesem Sonntag rhythmisch über den sandigen Weg am Wasser entlang. Sie hören nicht das Geschnatter der Wasservögel, denn sie haben Musik im Ohr. Und denken wohl kaum an die besondere Geschichte des Silbersees, hier auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg.

Im September 1937 legten die Nationalsozialisten den Grundstein für eine gigantisches Stadion. Dieses sogenannte „Deutsche Stadion“ sollte einmal 400.000 Menschen umfassen. Doch als der Krieg begann, blieb nur eine riesige hufeisenförmige Baugrube zurück, die schnell mit Wasser volllief (im Bild rechts). Aufgefüllt nach dem Krieg mit Schutt und Nachkriegsmüll, mutierte die Baugrube schnell zu einer wilden Sondermülldeponie:

Silbersee baden verboten dutzendteich rpt 210418 110652 6

Eine toxische Mischung aus Wasser, Chemikalien, Düngern, Lacken, Farben und noch vielem mehr. Die brisante Mischung ließ den See für etliche Schwimmer schnell zur tödlichen Falle werden. Beim Einatmen des Schwefelwasserstoffs droht Ohnmacht und dadurch Tod durch Ertrinken.

Der südliche Teil der ehemals hufeisenförmig angelegten Baugrube wurde auf knapp 40 Meter Höhe über dem Wasserspiegel befüllt und mit einer 50 cm hohen Humusschicht bedeckt. Am „Tag des Baumes 1955“ wurden scharenweise Schüler auf den Berg geschickt, die auf der giftigen Altlast namens Silberbuck munter Bäume pflanzten (hier ein Foto der Pflanzaktion am Tag des Baumes 1955)

Die knapp 40 Höhenmeter hoch zum Silberbuck schnaufen und ächzen wir noch heftiger als vor der Pandemie. Als Städter hat man sie ja selten, die freien Blicke, die man kilometerweit über das Land schweifen lassen kann. Trotz des Giftmülls unter unseren Füßen genießen wir den Blick gen Norden zur Nürnberger Altstadt. Halblinks hebt sich die Burg am Horizont ab:

Blick vom silberbuck zur burg dutzendteich rpt 210418 104948 1

Wir trödeln uns weiter zur Tribüne des Zeppelinfeldes. Geprägt von der typischen Bauweise Albert Speers: Rechte Winkel und lange Linien, immer ein Stück weit überdimensioniert:

Zeppelintribuene dutzendteich rpt 210418 113643 8

Wo früher die Parteigranden standen und auf die Massen blickten, stehen heute nur noch ein paar Flaschen. Ganz links im Bild das Max-Morlock-Stadion samt Flutlichtmast.

Blick von zeppelintribuene dutzendteich rpt 210418 113508 2

Der Panoramablick auf das Zeppelinfeld von der Kanzel. In den letzten Jahren haben Besucher zunehmend berichtet, von der „Hitler-Kanzel“ würden immer Menschen den Hitlergruß zeigen. Am Ende sind es dann aber doch nur Menschen, die den rechten Arm heben, um sich per Selfie in der historischen Kulisse in Szene zu setzen.

Panorama rednerbalkon zeppelintribuene dutzendteich rpt 210418 113212 3

Zurück, am Dutzendteich entlang, passieren wir das alte Cafe Wanner, das heute den Namen einer Biermarke trägt (deren Weizen schmeckt gar nicht mal so schlecht). Wir blicken über den See und stellen uns den Leuchtturm am anderen Ende des Ufers vor, der hier einst stand (unter dem Link findet man auch ein Foto der Sprengung des Leuchtturms). Den Turm räumten die Nazionalsozialisten ebenso ab, wie auch den Nürnberger Tiergarten, der hier einmal beheimatet war.

Zum Abschluss umrunden wir einmal die Kongresshalle, erbaut nach dem Vorbild des römischen Colosseums. Blick von der Westseite auf ein Detail, das wegen seiner verlassenen Symmetrie seinen besonderen fotografischen Reiz hat:

Polizei kongresshalle dutzendteich rpt 210417 184703 4

Von hier ist es nicht weit bis zur ehemaligen SS-Kaserne, in der heute das BAMF sitzt. Gleich gegenüber am Hiroshima-Platz gibt es bei Pizza Americana eine anständige Pizza, gut belegt zu einem anständigen Preis.

Ende.

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