Hach, Sie sind ja immer noch da!
Bei 12 Grad und eisigem Wind am Sonntag war Nürnberg wie verwaist, Passanten trugen Windjacken und vereinzelt sogar Wollmützen. Im August. Zum Glück haben wir hier zu jedem Wetter auch die passende Kneipe:
Wer glaubt, ich werde künftig Sätze sagen wie… „Friedrich Merz hat gestern auf X gepostet…“ oder „… hat gestern Lieschen Müller ge-ixt„, irrt. Sprache prägt das Denken und nur nur weil ein egomanischer Sonderling mit den Fingern schnippt, renn ich doch nicht blind hinterher und mach mich zum Honk. Bei mir heißt es weiter Twitter, ich zieh die Nummer durch, solange jeder noch weiß, was gemeint ist. Ebenso wie ich immer noch genüsslich „GEZ“ verwende, weil es so herrlich sperrig nach beamtenrechtlicher Obrigkeit und Sockensandalen müffelt. Mein Twitter-Bot twittert übrigens munter weiter vor sich hin, weitgehend sinnloses Zeug und ohne mein Zutun; und die Zeitgenossen, die wegen ihres Stockholm-Syndroms immer noch auf diesem StudiVZ der Zwanziger rumhängen, müssen den ganzen Mist dann eben auch lesen..
Der Nürnberger Hauptbahnhof hat sich in den letzten Jahren immer mehr zu einem Ort entwickelt, an dem man sich nicht länger als nötig aufhalten will. Den penetranten Gestank im Untergeschoss an der Rolltreppe nehme ich noch sportlich. Schließlich lebt man ja nicht allein auf der Welt. Aus meinem persönlichen Umfeld und eigenen Erfahrungen hat sich aber inzwischen ein kleine Sammlung unschöner Geschichten angesammelt. Alkohol, Pöbeleien, Gewalt und aggressives Betteln. Nun kann man sagen, zu einer freien Gesellschaft gehört das dazu, da muss man irgendwie mit klarkommen. Freilich will man sich in einem Bahnhof (und ich bin dabei noch nicht mal die typische Zielfigur für unschöne Begegnungen) sicher bewegen können, und auch sicher fühlen, auch das gehört für mich zu einer freiheitlichen Gesellschaft. Insofern sehe ich die Entwicklung der letzten Jahre skeptisch.
Durch Abnutzung ist in meiner schönen Hose ein kleines Löchlein entstanden, das nun zu einem Monsterloch mutiert ist. Früher hätte ich mich -in offiziellem Kontext- dafür geschämt. Heute wische ich solche Kritik weg und sage, das sei kein Loch, sondern Mode. Dann genieße ich es, wie sich mein Gegenüber für einen zurückgebliebenen Boomer hält, der nicht am Puls der Zeit ist und ab jetzt voll gruftimäßig und verunsichert durch seine Hood groovt.
Beim FC Nürnberg hat ein 17-jähriger zwei Tore geschossen und unserer Lokalpresse fühlt sich gar arg berauscht davon und betitelt ihn als „Rising Star“, nur weil er zwei mal für eine Sekunde seinen Haxen richtig hingehalten hat. Wenn sich unser Supertalent im nächsten Spiel den Haxen bricht oder kurz vor der Halbzeit sein drittes Eigentor reinsemmelt, dann wissen alle wieder: Der Club is a Depp.
KI macht es möglich: Influencerinnen sind zunehmend keine Menschen mehr. Warum auch nicht? Die Gefolgschaft kauft auch künftig brav Wässerchen und Accessoires. Ähnlich wie bei Zigarettenschachteln sollten solche virtuellen Models gesetzlich gezwungen werden, ein Bild von demjenigen beizulegen, der im Hintergrund die Arbeit macht und auch die Kohle kassiert: Ein pickeliger Spock-Shirt-Nerd mit Plauze: