München und Berlin sind zu teuer. Deshalb flüchtet die internationale Aperol-Spritz-Avantgarde mit ihren selbstgebauten Rennrädern nach Nürnberg. Wenn gerade mal keine Pandemie ist.
In den letzten Jahren ist Nürnberg zum hippen Zufluchtsort geworden. Für junge Menschen, die sich eine richtige Szenestadt nicht leisten können.
Biotop der Eitelkeiten
Ob vegane Wienerinnen, Startup-Stuttgarter oder kanadische Konzeptkünstler. Sie alle stören sich nicht an den lächerlichen Alliterationen lokaler Blogger. Sie sind trotzdem da. Als Pioniere kultureller Urbanisierung proklamieren sie Nürnberg als Ersatzbiotop ihrer Eitelkeiten.
Dieser Zuzug hat Folgen. Gostenhof berlinert sich zunehmend in eine übersteigerte Schnöseligkeit. Denn die intellektuelle Speerspitze dieser Bohéme mag es exzentrisch und spricht auch Englisch.
Gämsen aus Südtirol
In der Gastro steigen die Preise. Mit der Begründung, dass es einen added value gibt. Unsere Kaffebohnen wurden von Südtiroler Gämsen digestiert und hinten wieder ausgeschieden. Zur Cuppa ein Glas Wasser und nen selbstgebackenen Cookie.
Ne, sorry, wir haben keine banale Tucherplörre. Sondern Craftbier aus Island in der Nulldreiunddreißiger Flasche aus der Holzkiste. Serviert von einem Hipster aus Sevilla im Tour-de-France-Outfit. Ein kleines Craftbier 4,40.- und dazu einen Gämsenschisskaffee für 3,60.-.
Hey, please come back soon... Wenn Ihr es Euch leisten könnt.
Refugium mit Eventcharakter
Neben Gostenhof ist inzwischen auch die Gegend rund um den Laufer Schlagturm betroffen. Die Rösttrommel. Die mexikanische Kneipe. Bei uns konsumieren Sie nicht einfach nur. Wir sind das Refugium für Ihre exklusiven Bedürfnisse mit Eventcharakter. Dann der Craftbiershop. Präsentiert seine Fläschchen wie ein Juwelier.
Es gibt kaum noch Hoffnung. Vergeblich warten wir auf die unsichtbare Hand des freien Marktes. Die einmal feucht durchwischt.
Zwei Kaffee, aber zackig!
Aber zum Glück gibt es sie noch: Lokalitäten, wo es solche Sprüche noch gibt:
Ey! Ein schwarzer Kaffee ohne irgendwas. Vor allem ohne italienischen Namen. Aber ein bisschen zackig, wenn’s geht! Ich muss noch zum Aldi.
Die der Wirt so kontert:
Hinsetzen. Klappe halte. Kaffee kommt gleich.
Der Kaffee ist von gestern. Doch ist dafür ein richtiger Humpen. Und kostet nur 1,80.-. Oder ist auch mal umsonst.
Optimal ist das auch nicht. Aber immer noch besser als eine durchkomponierte Lifystyle-Gastro. Deren Kommerz im alternativen Gewand daherkommt.