Rötliches Neonlicht. Parkende Kleintransporter. Achtlos entsorgte Marlboroschachteln: Ein zerrupft dreinblickender Storch irrt durch den Betondschungel der Leipziger Straße in Nürnberg:
Die meisten Störche sind längst gen Süden in ihre Winterquartiere gezogen. Immer mehr Störche überwintern inzwischen aber in Deutschland. Der abgebildete Adebar gehört aber nicht dazu, sondern ist Teil einer (ich nenne es mal) Guerilla-Kunstaktion. Jedem Wetter trotzend steht er starr an dieser Stelle. Wenn dieser Storch nochmal wohin fliegt, dann nur noch in die Mülltonne. Fake-Vogel Nr. 1.
Ein lauter, dumpfer Knall
Gibt es was schöneres, als am Feiertag bei Kaffeeduft krachend in eine frisch aufgebackene Semmel mit Bärlauchspread zu beißen? Knuspernd und schlürfend sichte ich genüsslich meine Feeds. Plötzlich ein lauter, dumpfer Knall! Beinahe purzle ich vom Hocker. Blick zum Fenster. Eine hektisch zappelnde Taube taumelt benommen über den Balkon. Das arme Ding ist volle Kanne gegen die Balkontür gerauscht. Die Taube beäugt mich misstrauisch durch das Fenster. Erst nach einer viertel Stunde hat sie sich so berappelt, dass sie sich entschließt, vom Todesbalkon abzufliegen:
Sofort hechte ich an meinen Rechner. Drucke die nächstbeste Vogelsilhouette. Und verstehe, warum uns Lehrerinnen in der Grundschule mit der wichtigen Kulturtechnik der Bastelscherennutzung gequält haben. Ich kann mich nicht erinnern, in diesem Jahrtausend schon mal irgendwas ausgeschnitten zu haben. Aber es funktioniert. Ein Hoch auf unser wunderbares Bildungssystem! Und schon hängt der Fake-Vogel. Fake-Vogel Nr. 2:
Erinnerungen an meine Kindheit kommen hoch. Die Ökoeltern meines Holzspielzeug-Kumpels mit ihren Clogs und dem Frank-Zappa-Poster auf dem Klo – die hatten auch solche Fake-Vögel im Fenster. Und da wird mir plötzlich klar: So ein Fake-Vogel im Fenster hat neben der tierischen Unfallverhütung noch eine zweite Funktion. Er signalisiert, dass man ein empathiefähiges, fühlendes Wesen ist. Mit einem Fake-Vogel im Fenster zeigt man der Nachbarschaft auf intelligente und indirekte Art: Hier wohnen gute Menschen!
Noch so ein Vogel
Die Überschrift verlangt es von mir. Irgendwie muss es mir noch gelingen, Ihnen noch einen dritten Fake-Vogel zu servieren. Mal überlegen, ah, hier, bitte: Vor gut einem Jahr grinste ein überlebensgroßer Vogel auf die Nürnberger herab. Bürgermeister Christian Vogel wünschte uns ein gesundes und erfolgreiches Jahr 2020. Danke, aber es ist nix draus geworden.
Dieser Vogel ist Fake. Nicht weil ich das charakterlich meinen würde. Dafür kenne ich diesen Vogel nicht gut genug. Er ist natürlich deshalb Fake, weil dort oben nur ein Bild von ihm hängt. Sich in zehn Meter Höhe in einen Krankasten zu stellen und uns seine Wünsche ein paar Tage lang persönlich zuzubrüllen, das wollte er dann doch nicht. Und hat sich lieber für den Fake entschieden. Fake-Vogel Nr. 3.
Gehört hätte ihn eh keiner. Denn wenn der Vogel selber auch Fake ist, der dröhnende Verkehr ist Realität. Sieben Tage die Woche. Ohne Pandemie. Mit Pandemie. So laut, dass die Tauben versuchen, Hals über Kopf in Nürnberger Wohnstuben zu flüchten.
Sehr gelungener Scherenschnitt, Jochen, auch wenn meiner alten Mutter was Unkonventionelleres gelungen ist!
http://kleineschwaenkeausmeinemleben.blogspot.com/2017/05/vogel-in-starfighter-optik.html?m=1